IRGENDWO IN RUMÄNIEN

10 Jahre war Wien meine Wahlheimat und die Strecke vom Ijsselmeer nach Wien fühlte sich in gewisser Weise an wie eine Fahrt nach Hause.
Ab Wien ging es ins Ungewisse und dementsprechend fuhren auch die Emotionen Achterbahn. Die Aufgabe das Boot sicher ins Mittelmeer zu manövrieren, beschäftigte mich und so fuhren wir weiter-über die Slowakei, Ungarn, Serbien, Kroatien und Bulgarien nach Rumänien.

Ausklariert haben wir in Mohacs/Ungarn, um in Bezdan/Serbien wieder einzuklarieren. Theoretisch müsste jedesmal, wenn die Flussseite zum Landgang oder zum Übernachten gewechselt wird, aus- und wieder einklariert werden. Um dieses Prozedere maximal zu umgehen, habe ich mich dafür entschieden dies nur in Ungarn, Serbien und Rumänien zu tun. Entsprechend lang waren die entsprechenden Tagesetappen bis zu unserer nächsten Übernachtungsmöglichkeit. Oft haben wir einfach, mangels ausreichend geeigneter Anlegestellen, im Fluss geankert. Auf dem Weg von Budapest bis zum Donau-Schwarzmeerkanal waren es 12 Ankernächte. Irgendwo in Rumänien ist dann die Dieselheizung eingegangen, was die Ankeraufenthalte erschwerte. Nicht nur, dass der Innenbereich Senangs in der Früh einer Tropfsteinhöhle glich, es war nachts auch empfindlich frisch.

Bis zu diesem Zeitpunkt habe ich immer wieder darüber nachgedacht, ob wir die Fahrt durchs Delta wagen, oder einfach die gut 240 km kürzere Strecke über den Schwarzmeerkanal ins Schwarze Meer nehmen sollen. Die defekte Heizung hat mir die Entscheidung erleichtert und wir werden den Kanal befahren und schnellstmöglich eine neue Heizung einbauen. Nuri, mein Hund wird 3mal pro Tag zum Landgang gebeten. Unsere nächtlichen Beibootfahrten an Land waren oft abenteuerlich. Auch das Wetter erschwerte teilweise das Gassigehen. Anfangs machte es noch Spass das Beiboot unter erschwerten Bedingungen zu Wasser zu lassen um damit das Ufer zu erreichen. In stockfinsterer Nacht, bei strömendem Regen und Wind, nur mit einer Stirnlampe ausgerüstet, waren es reine Spezialeinsätze. Einmal hätte uns fast ein Motorboot, das schnell und ohne Licht fuhr, erwischt. In letzter Sekunde konnte es noch ausweichen. Der Spass verging dann allerdings, als wir nach diesen Aktionen kein warmes und trockenes Schiff mehr vorfanden.

Mangels ausreichender Yachthäfen am rumänischen Donauufer, hatten wir jede Menge dieser "Spezialeinsätze" und die Weiterfahrt durch das Donaudelta würde noch einiges an Spannung und Abenteuer, vor allem aber zahlreiche solcher Einsätze mit sich bringen. Um meinem ursprünglichen Vorhaben, Schiff und Crew sicher ins Mittelmeer zu bringen, gerecht zu werden, verzichte ich daher auf die Fahrt durchs Donaudelta und nehme den Kanal. Alles andere wäre keine gute Seemannschaft. Am Ende werde ich durch Nässe und Kälte krank und wir liegen irgendwo im Delta vor Anker. Das muss nicht sein-auch wenn es mich wirklich wurmt, dort jetzt nicht hinzukommen. Aber es ist Mitte Oktober, das Wetter wird zunehmend herbstlicher und nachts bei Sturm im Delta zu ankern (womöglich noch mit Grippe), ist für mich keine Option. 

 

Aktuell liegen wir im Port Cernavoda/Rumänien, vor den Toren des Schwarzmeerkanals, an einem Schubleichter. Zum Landgang müssen wir über ca. 4-5 halbverrostete Binnenschiffe klettern. Auch das etwas, das nur einmal WIRKLICH Spass macht. Mächtige Beton- und Plattenbauten dominieren die Sicht. Straßenhunde wohin man nur sieht. Mit Menschen habe ich in Rumänien nur die besten Erfahrungen gemacht. Trotz der Sprachbarrieren und mit Unterstützung des Google-Übersetzers, waren alle sehr hilfsbereit. Das Festmachen über Nacht inkl. Strom hat in den meisten Fällen nur ein paar Bier gekostet. Einige der Arbeiter in den Industriehäfen scheinen auf ausrangierten Schiffen und Leichtern zu wohnen. Die Entfernung zum nächsten Ort schafft hier oft ein entsprechendes "Versorgungsproblem". Bier ist also ein gern gesehenes Zahlungsmittel. Mein Stromkabel für den kleinen Heizlüfter habe ich heute gegen Bier und auf 60 Meter Entfernung auf ein anderes Schiff gelegt.

 

Ich bin jetzt länger als 3 Monate unterwegs. In den letzten gut 3 Wochen ankerten wir in der Wildnis Rumäniens und wenn es sich ergab, konnte ich Senang auch mal an einem Ponton im Strom anlegen oder an Schiffen in Industriehäfen festmachen.

 

Der Donau-Schwarzmeerkanal verfügt über zwei Schleusen. Eine bei Ein- und eine bei Ausfahrt. Heute sollte geschleust werden, um am Nachmittag in Constanta einzulaufen-unserem hoffentlich ersten richtigen Seehafen seit sehr langer Zeit. Ich freute mich bereits auf andere Segelboote und möglicherweise auch mal wieder darauf andere Segler zu treffen um zu kommunizieren. Die letzten Wochen waren, zugegebenermaßen ziemlich einsam. Aufgrund fehlender Großschifffahrt und mangels rumänischer Währung, klappte es unglücklicherweise mit dem Schleusen heute nicht. Morgen ab 6:00 soll ich auf "Standby" bleiben und auf einen Funkspruch, mit der Aufforderung zur Schleuse zu fahren, warten. Prima!!

 

Die Moral hat in den letzten Tagen etwas gelitten aber morgen machen wir uns auf in Richtung Schwarzes Meer. Von dort sind es noch ca. 4 Tage bis Istanbul, wo es möglicherweise eine Woche Urlaub in einer Marina geben wird. Nach der Walachei und wochenlangem Fahren durch die Abgeschiedenheit, freue ich mich mal wieder auf ein bisschen Hafenkino.

 

Vorerst gehts aber nach Constanta und ich hoffe dort ein paar Tage bleiben zu können um Senang vielleicht sogar segeltauglich zu machen. Eine neue Schraube hätte ich auch noch zu montieren. Es gibt also einiges zu erledigen. Auch ein kleiner Film über diesen Abschnitt soll noch fertig werden.

 

Ahoi!